Diese Rose

Es ist schon ein paar Tage her, da spazierte ich so durch meine Welt, erledigte mein Tagesgeschäft und viele Dinge, die ich für wichtig hielt, und vertrieb mir so meine Freizeit...

Plötzlich bemerkte ich etwas. Eine Veränderung war eingetreten.
Die Luft um mich herum, die ich atmete, die durch mich hindurchfloß, war - feiner geworden, gehaltvoller. Süss, erfrischend und dazu ermutigend, einen tiefen Atemzug zu tun, einen kräftigen Schluck zu trinken.

Aufschauen und mich umsehen war eins.
Zunächst bemerkte ich nichts Besonderes, wie sollte ich auch, ich wußte ja gar nicht, wonach ich suchte. Also benutzte ich meine anderen Sinne, machte mich frei von allem, was mich ansonsten beschäftigte und ausfüllte, und öffnete mich... suchte, wo der Duft am intensivsten, die Fülle maximal war. Da - war da nicht ein Schimmern am Horizont? Ich nahm noch eine Nase voll - tatsächlich, dort mußte es sein... etwas glänzte hell im Schein der Nachmittagssonne.

Die Sonne...
Es war so heiß, dass schon die Luft um mich herum flimmerte. Der Schweiß kroch nur noch aus meinen Poren, um sich dann sofort unangenehm klebrig auf meiner Haut trocknen zu lassen. Eine kühle Brise lockte von fern, dorther, wo es so leuchtete und schimmerte.

Ich fragte nicht mehr gross danach, ob erlaubt oder nicht, ich ging geradewegs darauf zu, stolpernd, schwitzend, durch trockenes Gebüsch, die unter meinem Fuß zu Staub zerbröselten; über Ranken hinweg, die nach meinen Füßen angelten; über Geröllfelder, die unter mir in Bewegung gerieten und mich in Abgründe werfen wollten. Oft taumelnd, bewahrte ich mühsam das Gleichgewicht, aber ich war so erschöpft, dass vor meinen Augen schon bunte Ringe sich verwoben zu einem benebelnden Schleier... fast mechanisch bewegte ich meine Glieder, auf die erlösende Ohnmacht wartend... der pure Wille hielt mich noch aufrecht.

Plötzlich stand ich vor einem Zaun.
Eine lieblich duftende, köstlich erfrischende Brise umfing mich. Es war der krasseste Gegensatz zum eben noch Erlebten, den man sich vorstellen konnte. Aufschauend erblickte ich - wohltuend, erquickend, die Seele durch das Auge labend - ein Blütenmeer und inmitten - ja, träumte ich? War ich etwa, ohne es zu merken, in eine andere Welt hinübergeglitten?
Da stand eine Rose. Oder war es doch keine? ich schaute noch einmal genauer... doch, nach Aussehen der Blüten und der Blätter, auch Dornen waren einige vorhanden, es schien eindeutig... was mich irritierte, war, dass diese Rose in einem tiefen, satten Blau leuchtete. Mein Blick wurde davon gefangengenommen, und ich schaute tiefste Unendlichkeit und weiteste Ewigkeit, ja, grenzenlose Schönheit.

Tiefer Friede zog in meine Seele.

Der Kampf gegen die vorangegangenen Unbilden hatte sich gelohnt. Hier war etwas, was einem Zuhause, einem Paradiese gleichkam.

Wo mochte der Eingang sein?

Nun bedauerte ich, nicht auf Weg und Steg geachtet zu haben. Meine Sinne mochten durch Hitze und Staub verwirrt, vielleicht aber auch durch süße Verlockung entrückt gewesen sein...

Mich umschauend, sah ich in der Ferne eine Gruppe Menschen. Ich ging auf sie zu und sah, dass mehrere Leute in einer Gruppe zusammenstanden, und dabei auch eine Frau, die ich für die Besitzerin hielt. "Suchen Sie etwas?" fragte diese. "Den Eingang" erwiderte ich. "Der ist hier" anwortete sie.
"Gehört Ihnen dieses Paradies?" fragte ich sie voller Bewunderung.

"Nein. Der Garten gehört der Menschheit. Ich pflege ihn und halte ihn sauber."

"Ich möchte hinein und dort bleiben, bei der blauen Rose!"
Ein ungläubiger Blick traf mich: "Treten Sie ein, Sie dürfen bleiben, solange Sie wollen, aber... eine blaue Rose haben wir hier nicht!"
Nun war es an mir, Unglauben zu zeigen. "Ich habe sie gesehen, ihren Duft getrunken und ihren Frieden in mich aufgenommen..."

"Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie sie gefunden haben? Ich möchte diese Rose auch gern einmal sehen..."

Voller Verwirrung ging ich durch die Reihen....

.... doch ich fand sie nicht mehr.

Den Frieden hatte sie mir gelassen...
Sich selbst konnte sie nicht verschenken...
Ich versuchte, mich damit zufrieden zu geben....
einen Hauch Wehmut konnte ich nicht daran hindern, in meine Seele zu ziehen....